Das Rodener Kino: „Skala Filmtheater“

 

Die Geschichte eines Hauses in Saarlouis - Roden

(von Walter Schmolenzky)

 

Die erste Erwähnung des Hauses Thirionstrasse 38-40, (früher Kirchen-gasse), in dem sich seinerzeit das Rodener Kino befand, findet sich in der Vereinschronik des Rodener Männer Gesangvereines „Mir ben soo“. Hier ist folgendes zu lesen:

 

Es war an einem Sonntag im Jahre 1864. Die Messe in der alten Dorfkirche (befand sich früher auf heutigen Marktplatz) in der Kirchengasse war aus und in die gegenüber liegende Gastwirtschaft „Münchener Kindl“, zum Mugge Batist, gehen die Gäste zum Früh-schoppen. Neben Bauern, Handwerkern und Kaufleuten kehren auch Arbeiter aus der Dillinger Eisenhütte, Gerbergesellen aus dem Betrieb Regnier, sowie einige Soldaten aus dem Füsselier- und Jägerregiment aus Saarlouis beim Mugge Batist ein. An diesem geselligen Sonntag wird bei Münchener Bier, Linseler Schnaps und Saarwein der Männergesangverein „Mir ben soo“ gegründet und das Gasthaus zum Vereinslokal ausgerufen“. [1]

 

In den Folgejahren wird das Wirtshaus neben dem Gesangverein für eine Vielzahl weiterer Rodener Vereine das Vereinslokal sein und den Namen „Münchener Kindl“ bis weit in das nächste Jahrhundert führen. Zu dem Lokal gehörte ein kleiner Saal, der für die verschiedensten Fest-veranstaltungen genutzt wurde: Überliefert sind anspruchsvolle Konzert-abende durch den Musikverein Harmonie. Gesellige Abende der Rodener Honoratioren. Tanzveranstaltungen an den Kirmestagen und Maskenbälle an der Faasend. Versteigerungsauktionen und Parteiversammlungen.

 

Gegen Ende der 1920-iger Jahren übernahmen die Eheleute Jakob und Maria Ripplinger das Anwesen und nutzten den Saal erstmals auch als Kinoraum. Anfangs reichte wohl eine lose Bestuhlung und eine aufgehängte Leinwand aus, um die damaligen Stummfilme vorzuführen. Als später der Tonfilm aufkam, hat man vermutlich die Filmbühne gebaut und feste Sitzreihen installiert. Einer der ersten Tonfilme, der aufgeführt wurde, war der Film „Die Fahrt ins Grüne“ aus den 1930-iger Jahren.

Während des 2. Weltkrieges, gab es noch vereinzelte Vorführungen; in den letzten Kriegsjahren wurde der Filmbetrieb dagegen gänzlich eingestellt. Wann der Filmbetrieb danach wieder aufgenommen wurde, konnte ich leider nicht herausfinden. Meine Recherchen haben ergeben, dass das Gebäude im Krieg stark zerstört wurde und 1949 wieder aufgebaut worden ist. Soweit mir bekannt ist, erfolgte die Wiedereröffnung des Kinos Anfang der 1950-iger Jahre und zur Premiere soll der Film: „Küssen ist keine Sünd“ gezeigt worden sein. Anfang der 1980-iger Jahre, als in Deutschland das große Kinosterben einsetzte, schloss sich auch im Rodener Skala Lichtspieltheater zum letzten Mal der Vorhang.

 

Ich habe das Kino aus der Nachkriegszeit noch wie folgt in der Erinnerung:

 

Die Wände waren oberhalb einer Holzvertäfelung mit rotem Stoff bespannt und die für die damalige Zeit typischen mehrarmigen Tüten-lampen spendeten ein diffuses Licht. Die Leinwand war mit einem beige-farbenen Vorhang verdeckt, der sich elektrisch zur Seite bewegen ließ. Die Holzsitzreihen unterteilten sich in I. und II Parkett. Die Sperrsitzreihen waren leicht gepolstert und in der Loge auf der Empore saß man in dick gepolsterten Sesselreihen.

 

Es war eigentlich mehr als eines der sonst üblichen Dorfkinos. Dafür sorgte schon die „Grande Dame“ des Filmtheaters, Frau Maria Ripplinger. Eine ältere, äußerst gepflegte Erscheinung, die allseits nur die „alte Frau Ripplinger“ genannt wurde, dies allerdings mit dem größten Respekt. Man erzählte sich in Roden, sie sei in jungen Jahren mit Hans Albers, einem der bekanntesten Deutschen Volksschauspieler, befreundet gewesen. Sie leitete das Kino und kaufte die Filme ein. Dabei legte sie großen Wert darauf, dass neben den gängigen Unterhaltungsfilmen auch anspruchsvolle Filme eingekauft wurden. Ihr Sohn Martin mit Familie kümmerte sich dagegen um das Tagesgeschäft und die Bewirtschaftung des Gastraumes mit Restaurant. Im Laufe der Zeit gab es im Gaststättenbetrieb den ein oder anderen Pächterwechsel. Nach dem Namen „Münchener Kindl“ mit dem Mugge Batist lief die Gaststätte lange Zeit einfach nur unter der Bezeichnung „Zum Ripplinger“. Bis etwa Mitte der 1960iger Jahre führte Albert Rupp, von Haus aus Metzgermeister, die Gaststätte. Seine Küche, insbesondere seine Leberknödel und Bockwürste waren vom Feinsten und machten ihn in diesen Jahren weit über Roden hinaus bekannt. Später übernahm er das Bergmannsheim in Ensdorf. Danach lief die Gaststätte lange Zeit unter dem Namen „Nickis Hühnerstall“. Viele Jahre führte zudem ein Enkel der Familie, mein Schulkamerad, Horst Ripplinger, eine Eisdiele im Haus.

 

Das Skala Lichtspieltheater in den frühen 1950-iger Jahren:

 

Damals wechselten die Filmprogramme alle vier Wochen. Über der Eingangstüre kündeten großflächige, gemäldeähnliche Filmplakate, die eigens von Plakat-Malern gemalt worden waren, den neuesten Film an. Hierauf war meistens eine ausdrucksstarke Filmszene zu sehen, teilweise waren die Plakate richtige Kunstwerke. Im Foyer hingen Schaukästen mit Filmszenen und an den Wänden hingen Filmposter und Porträts von Schauspielern. Hinter der Kinokasse, zwischen Gläsern mit Meckos, Lollys und anderen Süßigkeiten gefüllt, saß meistens ein Familienmitglied und verkaufte die Karten. Filmvorführer war damals der junge Theobald aus der Rhedstrasse, den alle Welt wegen seines technischen Ver-ständnisses nur „Techo“ rief.

 

Das Kino war anfänglich nur am Wochenende geöffnet. In den Nachkriegsjahren waren Abwechslungen eher eine Ausnahme und ein Kinobesuch war auf das Wochenende beschränkt. Häufig waren die Vorstellungen ausverkauft. Für Kinder und Jugendliche liefen am Sonntagnachmittag Filme mit Dick und Doof, Tarzan und harmlose Western. Im Abendprogramm und in der Spätvorstellung wurden gute Französische Krimis gezeigt ( z. Bsp. Rififi ), die häufig im Original mit Deutschen Untertiteln aufgeführt wurden. Ab und an ließ die Grande Dame des Hauses es auch schon mal zu, dass in der Nachtvorstellung ein Filmchen der etwas schlüpfrigen Art gezeigt werden durfte (z. Bsp. Salome „Tanz der sieben Schleier“ ). Ein solcher Streifen rief in prüden 1950iger sofort die Polizei auf den Plan. Sie kontrollierte, ob auch wirklich nur Erwachsene in die Vorstellung gelangten. Um den Ruf des Hauses besorgt, ging zudem die alte Frau Ripplinger ständig durch das Kino und leuchtete mit einer Taschenlampe vorzugsweise in die Sitzreihen der Loge und hielt so die Pärchen auf Distanz.

 

Damals kostete die billigste Kinokarte etwa 40 Franc ( heute etwa 20 Cent) für die ersten beiden Sitzreihen. Man nannte diese Reihen auch die Rasiersitze, weil der Kopf durch die erhöhte Leinwand während der Vorstellung ständig im Nacken lag. Für uns Kinder kein Problem. Wir freuten uns auf die Vorstellungen am Sonntagnachmittag und waren unseren Eltern dankbar, wenn sie uns das Geld für den Kinobesuch gaben, in jenen Tagen keine Selbstverständlichkeit. Vor Filmbeginn, dem in der Regel ein lehrreicher Vorfilm und die Wochenschau vorgeschaltet waren, wurde „Miko“, Eis am Stiel und „Stixi“ Salzstangen verkauft. Danach verlöschten langsam die Lampen und der Vorhang öffnete sich nach einem leisen Gong. Je nach dem was für ein Film lief, war es im Saal entweder mucksmäuschenstill oder ohrenbetäubend laut. Am Ende der Vorstellung diskutierten wir Kinder den Film und spielten einzelne Szenen nach oder ließen die Abenteuer von Sindbad, dem Seefahrer, noch einmal in unserer Fantasie an uns vorüberziehen. Nach jedem Filmbesuch konnten wir Kinder und auch die Erwachsenen so für ein paar Stunden die harten Nachkriegsjahre vergessen.

 

Und heute?

 

Seit vielen Jahren liegt das Haus in einer Art Dornröschenschlaf. Die Räume dienen teilweise Lagerzwecken und der frühere Kinosaal, seit der letzten Vorstellung ungenutzt, steht vor einer ungewissen Zukunft. In der alten Gaststube, wo vor mehr als 150 Jahren der Mugge Batist Münchener Bier und Linseler Schnaps ausschenkte und danach die Wirte Ripplinger und Rupp deftige Rodener Hausmannskost servierten, ist heute das Cafe und Restaurant „Beirut“ eingerichtet und es werden exotische Gerichte gereicht.

 

Mit ein wenig Wehmut werden sich vielleicht noch ein paar Ältere an das gute alte Kino und an die angeschlossenen Gastwirtschaft erinnern, die ein nicht unwesentliches Stück Rodener Kultur- und Zeitgeschichte schrieben.

 

[1] Aus der Vereinschronik des Männer-gesangvereines „Mir ben soo“. Beim „Mugge Batist“ handelt es sich um Johann Baptist Gergen, auch „Mocken Schang“ genannt. Vergleich meine Geschichte: „Wie der Mocken Schang militärischen Ruhm“ erlangte.