Das „Rote Meer“ zwischen Dillingen und Roden

 

Eine alte Flurbezeichnung

(von Walter Schmolenzky)

 

Vermutlich werden nur wenige Ältere noch wissen, dass es in früheren Zeiten zwischen Dillingen und Roden einen Flurbereich gab, den man das „R o t e M e e r“ nannte. Bei Dillingen und Roden ein „R o t e s M e e r“ ?! Allein der Gedanke hieran fasziniert?! Man möchte schon mehr darüber wissen!! Wo genau befand sich dieses Meer?? Wie groß war es?? Und wieso eigentlich R o t e s M e e r? Woher stammt der Name und zu welcher Zeit gab es dieses Meer?? Viele Fragen, die ich anhand alter Aufzeichnungen, mündlicher Überlieferung, eigenem Gedankengut und Thesen wie folgt beantworten möchte:

 

Nach Aloys Lehnert: „Drei aufschlussreiche Dillinger Flurnamen“ waren die Primsauen früher von der Primsmündung bis in den Rodener Bruch bewaldet. Das alte deutsche „meer“ ahd. mari, meri bedeutet Sumpf. Meerfeld bei Wittlich, hieß im 13. Jahrhundert „Meruelt“ und bedeutet sumpfiges Feld; auch der bei Fechingen und Güdingen befindliche „Meerwald“ ist nach Lehnert ein deutlicher Hinweis auf ähnliche frühere Bezeichnungen in der näheren Heimat für eine bewaldete, sumpfige Fläche. Ein Hinweis, dass sich einmal Wald im Rodener Bruch befand, soll sich nach einem Übereinkommen aus dem Jahre 1487 zwischen dem Grafen von Dillingen und dem Abt von Mettlach ergeben: Hierin ist von „walt, rodenbroich, also „Wald im Rodener Bruch“, der an der Prims lag und zur Gemeinde Roden gehörte, die Rede. Dieser Bruch ist nichts anderes als das R o t e      M e e r“ ; eine große Fläche, die sich links und rechts entlang der Primsufer erstreckte und später in zwei ungleiche Teile durch die Bahnlinie Trier – Saarbrücken durchschnitten wurde. Den östlich der Bahnlinie gelegenen Bereich nannte man „D a s K l e i n e „R o t e M e e r“ und den westlich gelegenen größeren Bereich nannte man das „G r o s s e R o t e M e e r“. [1]

 

Das G r o s s e R o t e M e e r könnte man heute grob in das Karree zwischen der Brückenstrasse in Dillingen, der Eisenbahnlinie und der Autobahntrasse durch die Saarwiesen verlegen, etwa dort, wo sich das Kegelwäldchen und der Dillinger Hafen mit den Kaianlagen befinden.Wie aber kam es zu der Bezeichnung R o t e s M e e r im Bruch bei Dillingen und Roden?

 

Es gibt am Rodener Berg – Rö(e)derberg – den Bruchweg, der in das tiefer gelegene Gelände des früheren R o t e n M e e r e s in die Bruchwiesen führt. Den Röderberg, die Anhöhe vor Dillingen, nannte man früher den „Roten Staden“. Das Wort „Staden“ findet sich auch in der Endung Meeres- „g e s t a d e“!! Ob hiermit vielleicht die Uferregion des R o t e n M e e r e s am Rodener Berg – Roter Staden“ gemeint ist?

 

Machen wir eine kleine Zeitreise:

 

Die Eisenbahnverbindung Saarbrücken – Trier gab es noch nicht. Die Dillinger Hütte war noch eine Eisenschmiede und wo sich heute der Hafen mit den Kaianlagen, die Autobahntrassen und die Ford Werke befinden, waren Auenwälder und Ackerflächen. Die Saar und die Prims flossen noch beschaulich in vielen Windungen in ihren angestammten Betten und prägten die Landschaft. In Höhe des Bruchweges, am Rande der heutigen Rodener Kleingartenanlage, war Bruchwald und die angrenzenden Wiesengewanne trugen Bezeichnungen wie: Kuhnenwinkel, Pontacker, Vuhlsschpetz, Großkies und Mellen, um nur einige zu nennen. Am Bruchweg lagen Flurstücke, die man „Bei der Schäd“ und „Spatzenborn“ nannte. “Schäd“ ist eine alte Bezeichnung für Grenze; hier wohl für die Banngrenze zwischen Dillingen und Roden. „Spatzenborn“, vermutlich haben sich an dem Born die Spatzen eingefunden, daher der Name. Die Quelle nannte man auch die „Isse“. Heute ist von diesem alten Land-schaftsbild nichts mehr zu sehen.

 

Versetzen wir uns einmal in die Zeit dieses alten Landschaftsbildes und stellen uns vor, wir stehen nach einem schneereichen Winter und einem regenreichen Frühjahr auf der Anhöhe des Roten Stadens (Röderberg) und blicken in die Auenlandschaft. Die Saar und die Prims mit ihren vielen kleinen Nebenbächen sind durch Regen und Schneeschmelze über ihre Ufer getreten. Vor allem die Prims, im Sommer ein friedliches und idyllisches Gewässer, ist durch die Schneemassen aus dem Hunsrück zu einem reißenden Fluß geworden. Auf ihrem Weg in die Saar, der durch rötliche Sedimentschichten führt, hat die Prims die Erde bis hart an die Grenzen der Ortschaften aufgewühlt und mit gerissen. Dabei wurde sogenanntes „Rotliegendes“ ausgewaschen und mitgeführt.

Insbesondere das entlang des Primstales vorhandene „Rasenerz“, auch Heidschlacke genannt, eine rostfarbene Gesteinsschicht, wurde durch das ständig in Bewegung befindliche Grundwasser nach oben gedrückt und färbte dabei das Wasser rot. Besonders gut konnte man das in früheren Jahren im Primsbecken bei Körprich beobachten dort, wo die Theel in die Prims fließt. Das Wasser der Prims war hier mitunter auf weiter Strecke tiefrot gefärbt und ergoss sich wie eine rote Farbe in die Primsauen bei Dillingen und Roden und überschwemmte dabei die Saarwiesen. Später, wenn die Wasserpegel von Prims und Saar langsam sanken, bildete sich in der weiten Ebene eine rötliche Wasserfläche, die den Betrachter, der auf der Anhöhe des Roten Stadens stand, an das Rote Meer aus der Bibel erinnerte. Obwohl das Wasser des Roten Meeres zwischen Ägypten und Israel nicht rot ist, kam es in Anlehnung an diesen Namen zu einem der schönsten Flurbezeichnungen in der engeren Heimat.

 

 

[1] Aloys Lehnert in Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Saarlouis, 1960, S. 386